Ein Leben mit Musik
Was uns erdet, gibt uns Halt. Nach oben sind dann keine Grenzen, wenn unser Verstand sich endlich aus dem Regieraum unserer Möglichkeiten raushält. Sein Job ist es, die Dinge umzusetzen, die unser Herz kreiert.
Wie beginne ich am besten, über mein Leben und meine Musik zu schreiben? Wie erzähle ich von Gefühlen, Wünschen, von purer Energie, von einem Glücksfall? Sprache ist hier nicht das Laufen selbst, Sprache ist bestenfalls eine gute Gehhilfe, ein Versuch.
Begonnen hat bei mir das Interesse für Popmusik mit 14 Jahren. Mit Phil Collins "In the air tonight", Supertramp, David Bowie, Queen, Bob Marley, Deep Purple und Whitesnake füllte sich langsam mein Plattenschrank. Und als Klavierschüler, der als 7jähriger mit klassischem Unterricht begann, standen fortan nicht nur Beethoven, Brahms oder Debussy auf dem Übungsplan. Die Geduld meiner Klavierlehrerin habe ich 11 Jahre lang herausgefordert. Aber sie hat geduldig mit mir durchgezogen und vor allem, ich habe es durchgezogen, dem Klavier treu zu bleiben. Und das hatte einen Grund. Die Kombination aus schwarz-weißen Holzstäbchen hatten eine magische Anziehung auf mich. Ich fing an zu improvisieren, nachzuspielen und irgendwie wurde das Klavier zu meinem "besten Freund", mit dem ich bis heute sehr viel Zeit verbringe und mich auch schon mal ordentlich streiten konnte. Wenn ich Wutanfälle bekam, und davon gab es einige, musste das Klavier herhalten. Nicht nur meine Finger, meine ganzen Unterarme maltretierten die armen 88 Holzstäbchen so sehr, dass schon die ein oder andere Saite herhalten musste.
Meine ersten Auftritte hatte ich mit der Klavierschule von Christl Lößl im Belgischen Haus in Köln. Für uns Kinder stand dort auf einer großen Bühne ein ebenso großer Flügel; da mussten wir durch. Und ich war immer mächtig aufgeregt, was mir aber niemand anzusehen schien. Und stolz waren wir alle, wenn wir unser Stück vollbracht hatten. "La cathédrale engloutie" von Claude Debussy war eines meiner Lieblingsstücke, nicht so melodiös wie Beethoven, dessen Klaviersonaten ich gerne spielte, aber eben wie geschaffen für meine Finger und mein Gemüt.
Die Liebe zur Musik wuchs und damit auch die Lust, Songs zu schreiben. Mit 18 schrieb ich meinen ersten. "Das Lied der kleinen Kinder" hieß es und ist heute unter dem Namen "Wie die Kinder" in meinem Repertoir ein Evergreen. Im Refrain nutze ich darin ein Zitat aus der Bibel, und da denke ich schon mal, dass das vielleicht nicht popig genug ist. Die Wahrheit ist eine andere; das Lied hat Generationen von Familien in meinem Heimatort Pulheim durchs Leben begleitet und tut es immer noch. Es existiert dazu eine CD-Aufnahme auf dem Album "Himmelsrichtungen" des Kinder- und Jugendchors meiner Heimatstadt Pulheim. Seit über 25 Jahren spiele ich das Lied immer wieder gerne zu den Kommunionmessen meiner Heimatpfarrei St. Kosmas und Damian.
Es folgte eine Reihe von Songs mit deutschen Texten, die ich in meinem Freundes- und Studentenkreis an der Sporthochschule Köln Anfang der 1990er Jahren zum Besten gab. Lieder wie "Anne", "Scheiß egal", Stille Wasser" oder "Du kriegst es nicht" sind diesem Kreis von Leuten über die Jahrzehnte immer noch präsent. Ab und zu nehme ich mir die Songs noch einmal vor und versuche, ihnen ein zeitgemäßes Facelifting zu geben. Der Song "Du kriegst es nicht" bekommt gerade ein Relaunch mit groovigen Bassläufen und auch der Text erhält einen neuen Dreh, in dem ich gerne dem aktuellen Zeitgeist Raum gebe.
In meiner Zeit in der katholischen Jugend meiner Heimatgemeinde sang ich viele Jahre im Jugendchor. Unser Repertoire bestand aus moderneren Kirchenliedern und englischen Popsongs. Ich fing an, für den Chor vierstimmige Chorsätze und eigene Lieder zu schreiben, kurze mehrstimmige Liedrufe für Jugendmessen und Balladen zur Verabschiedung unserer Kapläne. Und schließlich wagte ich mich an ein "Halleluja", zunächst nur ein kurzer Liedruf als Zwischengesang gedacht, ruhig und getragen. Dann kamen immer mehr Takte hinzu, Variationen zum Hauptthema. Über Monate entwickelte sich ein 11minütiges Werk mit einem vierstimmigen Chorsatz und eine Solostimme für Alt. Uraufführung war Ostern 1989. Die Klavierpartitur war bis 2020 nur in meinem Kopf. Erst kürzlich habe ich einen Musiker-Kollegen gebeten, die Noten dazu von einer Ton-Aufnahme aus meiner Studienzeit in London zu notieren. Diese an die Klassik orientierte Komposition gab mir ein Gefühl dafür, wie Harmonien miteinander verzahnt Energien und damit Stimmungen erzeugen. Das Werk trägt verschiedene Tonart- und Tempiwechsel in sich und ruht am Ende wieder in seiner Ausgangstonart D-Dur. Ein wunderbares Labyrinth für autodidaktische Harmonie-Experimente.
Die Popmusik im direkten Vergleich verrät eine eher simplere, aber nicht minder herausfordernde Machart, die häufig von vier Akkorden lebt. In den Radio-Charts ist dies bei den allermeisten Songs genau so. So eine Art "Viersäulen-Sound". Und immer wieder merke ich, wie mir diese Bauweise beim Komponieren der eigenen Titel zu wenig ist. Gegen Simplizität an sich habe ich nichts und finde es geradezu genial, wenn ein schlichter Song einen coolen roten Faden hat und die Spannung perfekt hinbekommt. Aber dann wieder entlavt sich die Branche aufs Neue, wenn diese Machart zu gähnender Routine wird. Mein Freund und Musikerkollege Alexander Teschenr drückt es so aus: "Peter Worms ist eher der Beethoven unter den Popmusikern."
Ein echter Stilwechsel zu dieser Art Popmusik ist eine "Popband", die diese Erfolgsbeschreibung zu Lebzeiten nicht kannte, aber genau das war, eine Popband: die Comedian Harmonists, in den 1920er Jahren eine weltberühmte A-Cappella-Formation aus Berlin. Sie spielten in meinem musikalischen Leben einige Jahre auch eine wichtige Rolle. Aus dem Jugendchor heraus entstand ein Männer-Quintett. Wir ließen keine Gelegenheit aus, Songs mehrstimmig nachzusingen, im Auto, auf der Straße, nach dem Sport unter der Dusche und überall sonst. Wir schlossen uns zu einer festen Formation zusammen, die erst vor ihrem ersten öffentlichen Auftritt außerhalb des eigenen Familien- oder Freundeskreis ihren Namen bekam. Wir nannten uns fortan "Tragödien Harmonists". Unsere freundschaftlich geprägte Gesangsgruppe brachte es sogar zu einer CD-Veröffentlichung. Im Laufe der Jahre habe ich mein eigenes CD-Exemplar irgendwann verloren. Vor einiger Zeit fand ich auf einem Trödelmarkt ein Exemplar für sage und schreibe einen Euro wieder. Ein kleiner monitärer Werteverfall zum damaligen Kaufpreis in D-Mark, aber ideell unbezahlbar!
Ein Idiom für die eigene Musik
Woher kommt meine Lust gerade Songs mit deutschen Texten zu schreiben? Geprägt hat mich am meisten Herbert Grönemeyer. Seine Texte basieren nicht alleine darauf, dass sie einen ganz besonderen Eigensinn, eine sehr eigentümlichen unverwechselbare Metaphersprache verwenden. Sie passieren abseits unserer Alltagssprache und nehmen auf eine unwahrscheinlich kraftvolle Weise Bezug auf unser Leben. Grönemeyer hat sicher sein eigenes Idiom entwickelt, eine Sprache, die seine Handschrift eindeutig erkennen lässt. Und darum geht es doch, um die Entwicklung der eigenen Handschrift. Und genau das ist für mich immer wieder der Motor, den eigenen Texten ihren Eigensinn, Eigenklang und somit ihre Eigenheiten ins Stammbuch zu schreiben. Wie wunderbar ist es, Worten mit ihrem Sinn und "Hintersinn" Platz zu geben und mit unter neue Sinngebung zu erschaffen.
1983 sind wir mit unserer Clicke bei der Grönemeyer-Tour "Gemischte Gefühle" nach Köln in das Theater an der Alten Schlosserei gefahren. Gefahren sind wir damlas aber vor allem, weil mit dem Gitarristen Jakob Hansonis einer aus unserer Heimatstadt Pulheim in der Band von Grönemeyer spielt, den wir unterstützen wollten. Da saßen wir noch in bequemen roten Stoffsesseln, aber nur am Anfang, dann war es uns "total egal". ("Total egal" lautet die Single vom gleichnamigen Grönemyer-Album)
So wuchs in mir still und leise die Sehnsucht, Musik zum machen. Eine von zwei Sehnsüchten, die ich mit 14 hatte. Neben der Musik wollte ich Sportjournalist werden, weshalb ich mich an der Deutschen Sporthochschule Köln 1988 eingeschrieben hatte und bis 1993 Sport studierte. In der ZDF-Sportredaktion hatte ich 1988 einen der begehrtesten Praktikumsstellen in der Medienlandschaft für Sportjournalist*innen. Unter meinem Moderatoren-Idol Dieter Kürten konnte ich erste Gehversuche als Sportjournalist machen. Samstags raus auf die Fußballplätze der Nation und dann Texte schreiben für die Berichte der Reporter. Sehr cooles Gefühl, wenn diese dann nach 22 Uhr im ZDF-Sportstudio ausgestrahlt worden sind. Damals saß ich mit Journalist Michael Steinbrecher in einem Büro, der zu dieser Zeit bereits Moderator der ZDF-Jugendsendung "Doppelpunkt" war. In diesem Sommer lernte ich auch Günter Jauch kennen, der als Moderator des Aktuellen Sportstudios startete.
Aber die Energie zur Musik war einfach stärker, als die, Sportreporter zu werden. 1994 zog es mich deshalb nach London. Ich studierte Musikproduktion an der Media Production Facility, eine Privatschule im Stadtteil Brixton, im Süden der Stadt. Internationale Kommiliton*innen und großartige Lehrer*innen, die, wenn sie uns nicht unterrichteten, in der Branche als Musiker*innen, Toningenieur*innen oder Sounddesigner*innen unterwegs waren. Ein wunderbares Jahr mit so vielen guten Erfahrungen und Freundschaften, die heute noch Bestand haben. Gewohnt habe ich im Norden Londons, in Hampstead, im Jersey-Hous, einem genauso coolen wie queeren Studentenwohnheim, wie auch der Rest der Stadt den Charme von Diversität und cosmopolitem Lebensgefühl versprühte. Wenn ich Leuten von dieser Bleibe erzähle, staunen sie nicht schlecht, denn das Jersey-Hous war auf der Bishop´s Avenue, der sicher nobelsten Straße Londons. Außer unserem Jugendhotel waren es vor allem die Reichsten der Reichen, die dort ihr Wochenendhaus hatten. Darunter manche gekröhnten Oberhäupter der arabischen Welt. Das Jersey-House ist längst kein Jugendhotel mehr und glänzt heute mit einem Immobilienwert von 38.000.000 Pfund.
"Du wärst mal besser in London geblieben", das bekomme ich häufig von meinen Töchtern zu hören, die nicht verstehen können, warum ich nach Deutschland zurückkam. Was soll ich da sagen? Sie haben irgendwo Recht und doch, deutschsprachige Musik läuft in England nicht so gut.
Mit einem Kopf voller Ideen und neuen Songs, die ich in London geschrieben hatte, ging es 1995 zurück in die Heimat. Und bald schon sollte es eine für mich sehr interessante Nachricht aus meiner ehemaligen Wahlheimat geben. Die Medien berichteten über Herbert Grönemeyer, den es 1995 mit Familie nach London zog. Man sah ihn in einem Beitrag im ZDF-Heutejournal in Hampstead spazieren gehen, genauer gesagt im Hampstead Heath, einem wunderschönen Park Londons mit einem erhabenen Blick über die Stadt. In diesem Park verbrachte ich im Jahr zuvor täglich ein bis zwei Stunden beim Joggen. Was für ein Zufall, oder? "Oh man", dachte ich, "ich hätte dort vielleicht meinen großen Energizer und Inspirator treffen können."
Dieses Treffen gab es dann Backstage am 17. Juli 1998 in Dresden. Da spielte Herbert Grönemeyer ein Open Air-Konzert auf den Elbwiesen und ich war mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau live dabei. Sie hatte auf den Tag genau Geburtstag und ich konnte sie mit einem Meet-and-Great total überraschen. Für sie als bekennender Grönemeyer-Fan ein wahnsinns Ding! Danke sage ich hier all denen, die seinerzeit das möglich gemacht haben! Danke vor allem Danni und Jakob! Wir waren an diesem Tag absolut herzlich von der gesamten Crew aufgenommen worden, konnten überall mit hin und saßen beim Essen vor Konzertbeginn mit Grönemeyer und seiner Band zusammen bei Pasta und Salat.
Musik ist am Ende auch nur ein Produkt, oder?
Die TRO-Tonstudios in Dormagen-Hackenbroich wurden zwischen 1995 und 1996 zu meinem zweiten Zuhause. Dort hatte ich die Möglichkeit, bei meinen Schulfreunden aus Knechtsteden meine Songs aufzunehmen. Klavier und Gesang von mir und je nach Song Saxophon, Schlagzeug und E-Gitarre dazu. Mittags gab es hin und wieder Linsensuppe mit Mettwurst nach Mama-Worms-Art. Meine Mutter hat die Crew oft mit großaritgem Essen verwöhnt. Danke Mama!
Mit vier fertigen Titeln im Gepäck bin ich dann von Hackenbroich raus in die Musikwelt und habe mich bei Plattenfirmen vorgestellt. Angesagte Adressen waren damals die EMI und Clodwig-Musik in Köln. Mit guten Beziehungen konnte ich ziemlich weit oben meine Songs persönlich vorstellen. Zu dieser Zeit waren gerade "Die Doofen" mit Wigald Boning und Olli Dietrich mit "Mief" auf Platz 1 der Deutschen Single-Charts. Also gab man mir den Tipp, mehr so in diese Richtung zu gehen. Dieser Vorschlag ist bei mir so erfolgreich angekommen, als wenn ich unserem Hund Marley empfehlen würde, zukünfitg nur noch vegan zu leben. Eine wichtige Lektion habe ich aber gelernt: Musik ist für Plattenfirmen halt auch nur ein Produkt und muss sich verkaufen.
Mein Herz schlägt aber nach wie vor für eine andere Art Pop-Songs, die meiner inneren Stimme folgen. Irgendwann habe ich eine Erkenntnis gewonnen, dass ich nur aus diesem Grund Musik mache, weil es mich ausmacht, mir gut tut, ein Stück von mir zeigt und wahrhaftig ist. Das, was da ist, möchte raus in Form von Liedern, die mich selbst tiefer berühren können, als alles andere auf der Welt. Es ist, als wenn sich große Schleusen ins Innere der eigenen Persönlichkeit öffnen. Es entstehen Songtexte, mit zuweilen sehr hintersinnigen Botschaften, wozu es viel zu erzählen gäbe. Auf Konzerten gebe ich deshalb gerne mal diesen und mal jenen Gedanken preis. Wichtig ist mir, dass die Intentionen meiner Texte nichts Absolutes darstellen. Worte sind für mich in erster Linie Energiefelder, die sich mit anderen Worten zu noch größeren Energiefeldern vereinen. Daraus entwickelt sich ein Sinn, dem ich übrigens genauso als Texter nachspüre, wie es die Leute tun, die sie "nur" hören. Auf die Frage, wie bei mir Musik und Texten entstehen, gebe ich am liebsten die Antwort: Sie entstehen in mir. Ich vergleiche mich gerne mit einer Stimmgabel, die Energie aufnimmt und sie hörbar macht. Der Bauch weiß als erstes, wo diese Energie hinmöchte. Kein Akkordschema folgt da einer Regel, außer der, dass es der Energie folgt, die gerade gebraucht wird.
So passiert es zum Beispiel, dass ich weinend vor dem Klavier sitze, weil das, was ich da gearde spiele, mich zutiefst berührt, und zwar an einer Stelle, wo ich mit meinen Gedanken alleine nicht hinkomme.
Versteht man das? Es ist das Sichtbar- und Hörbarmachen des nicht Sicht- und Hörbaren. Stellt Euch dazu vielleicht einen Eisberg vor. Das, was wir von ihm sehen, ist nur ein Bruchteil von dem, was ihn eigentlich ausmacht. Ich sehe genauso wenig alles von mir mit meinem Bewusstsein. Aber mein Unterbewusstsein und auch eine Art Überbewusstsein, das ich kosmische Energie oder Hilfe nennen würde, sind die wahren Helfer beim Komponieren und Texten. So passiert es zum Beispiel, dass ich weinend vor dem Klavier sitze, weil das, was ich da gerade spiele, mich zutiefst berührt, und zwar an einer Stelle, wo ich mit meinen Gedanken alleine nicht hinkomme. Da sitzt etwas viel tiefer im Verborgenen, was sich den Weg nach außen bahnt, was mich immer wieder antreibt, immer wieder fordert und zu mich sagt: "Da, siehst Du, Peter, Du schreibst Musik. Nun geh´diesen Weg weiter". Es ist eine sehr persönliche Offenbarung.
Als ich bei einem Gassigang mit Marley in den Feldern kürzlich von einem jungen Mann angesprochen und gefragt wurde, ob ich denn immer noch Musik machen würde, wurde mir auf einmal klar, dass ich mir diese Frage selbst hätte stellen können. Anders ausgedrückt: Bleibe ich mir treu und tue das, was mir am Herzen liegt? Als ich die Frage bejahte und mich gleichzeitig fragte, woher der junge Mann mich kennt und weiß, dass ich Musiker bin, bekam ich von ihm noch den motivierenden Hinweis: "Dann weiterhin schön dranbleiben".
Von 1995 bis 2001 habe ich viel ausprobiert. Darunter auch ein TV-Auftritt als Komponist und Newcomer bei Dieter Thomas Heck in seiner Kultsendung "Musik liegt in der Luft". Ich hatte ein Lied geschrieben zur Bewerbung für die Deutsche Vorauswahl zum Eurovision Song Contest, damals noch Grand Prix Eurovision de la Chanson. Aus der Bewerbung wurde nichts, dafür nahm uns aber der Schlager-Moderator Nr. 1 in Deutschland in seine Sendung. Wir hatten die Halle in Offenburg am 17. November 1996 gerockt mit dem Lied "Hör nicht auf zu fragen", gesungen vom damals 19jährigen Sänger aus Dormagen-Straberg, Rick Bogert.
Im selben Jahr im Mai veranstaltete ich mit insgesamt vier Bands ein "New-Rock-Festival". Moderator war Patrick Lynen, Autor, Motivator und Coach und damals einer der Ankermoderatoren beim ehemaligen Popsender SWF 3. Promi als Opener auf der Bühne war Freddie Mercury alias Peter Worms. Ich war zu der Zeit der Stimme und der Performance der Queen-Legende absolut verfallen und habe vom letzten Queen-Album "Made in Heaven" die Ouvertüre "It´s a beautiful day" performt. Für alle Nachfragen an dieser Stelle: Ich habe dazu nicht live gesungen.
Zur gleichen Zeit ging ich auch journalistisch neue Wege. Es war nicht geplant, funktionierte aber ganz hervorragend: Ich gründete mit Freunden und Kolleg*innen einen eigenen Radiosender als Veranstaltungsrundfunk in Pulheim und Köln. Das New-Rock-Festival war unser erster Event, den wir übertragen hatten. Es folgten viele spannende Sendestaffeln zum Beispiel zu Sportevents wie dem international bedeutenden Golf-Turnier "Linde German Masters". Wir präsentierten zwei spektakuläre Derby-Radio-Staffeln zu den Derby-Spielen in der 2. Bundesliga 1. FC Köln gegen Fortuna Köln mit den Trainern Bernd Schuster und Toni Schumacher. Eine wahre Pioneerzeit als Radiomacher, in der ich viel gelernt habe und vor allem so viele wunderbare Menschen kennenlernen konnte. Auch die Großen der Zeitungsbranche waren darunter. Dem ein oder anderen waren wir aber ein Dorn im Auge. Denn wir waren innovativ, frei, unabhägig von großen Verlegern oder Sendeanstalten und wir waren mehrere Tage 24 Stunden live auf Sendung und damit ein echter Konkurrent zu privaten Hörfunkanbietern in Nordrhein-Westfalen. Dies weniger wegen der Inhalte, sondern mehr wegen der Konkurrenz auf dem Werbemarkt. Über die Zeit als "Intendant" des kleinsten Radiosender Deutschlands könnte ich noch sehr viel erzählen... .
Die kreative Freiheit, die wir besaßen, nutzten wir, um uns und neue Sendeformate auszuprobieren. In unserem Team waren Kolleg*innen vom WDR, RTL, RPR, und Künstler wie Guido Cantz, der als Comedian und "Mann für alle Fälle" gerade durchstartete, auch Sportidole wie Jimmy Hartwig. Ich wagte mich an den Versuch, eine Late-Night-Show für´s Radio zu entwicklen. Das Rezept dazu war ganz einfach: Ich nahm eine Late-Night-Band, die live performte, Gäste, die wunderbare Geschichten erzählen konnten und mischte es mit unterhaltender Spontanität. Moderieren war irengwie mein Ding. Abgeguckt habe ich es mit über die Jahre bei den Showmastern im Deutschen Fernsehen und langsam meinen Stil entwickelt. Mein persönliches Highlight in meiner ersten Late-Night-Show war ein Auftritt als Sänger in der eigenen Show mit meiner Ballade "Stille Wasser". Das wirklich Besondere war, dass mich mein Talkgast und Freund Jakob Hansonis dabei an seiner Gitarre begleitete. Es war eine fast dreistündige Sendung mit weiteren Top-Gästen. u.a. Guido Cantz, der A-Cappella-Formation Wise Guys, dem damals frisch gebackene Deutsche Judo-Juniorenmeister und der schnellsten Frau im Deutschen Auto-Motorsport, Sabine Schmitz, die 1996 als erste Frau das 24Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gewann. Neben vielen großartigen Kolleg*innen im Radioteam möchte ich an dieser Stelle Ralf Hohn erwähnen, der damals die Initialzündung für das Radio gab. Er war unser Ankerman und ist auch heute noch einer meiner Lieblingsmoderatoren in der Deutschen Radiolandschaft.
Unvergessen für unsere gesamt Crew, die inklusive aller Ehrenamtlichen aus rund 50 Leuten bestand, waren die beiden DerbyRadios anlässlich der Zweitligabegegnungen zwischen dem 1. FC Köln und Fortuna Köln. Die Sendestaffel zum Heimspiel der Fortuna strahlten wir aus der Geschäftsstelle des Vereins auf der Straße Am Vorgebirgstor aus. Beim Heimpsiel des FC hatten wir einen eigenen Sendecontainer direkt an der Westtribüne im alten Müngersdorfer Stadion. Unser USP und damit gleich eine kleine Hörfunksensation war, dass wir vom DFB die Lizenz erwarben, 90 Minuten live aus dem Stadion und 30 Minuten live am Ball berichten konnten. Und das taten wir mit Euphorie und acht Reporter*innen, zwei Kommentatoren, Toni Polster als Gast-Kommentator und Dieter Kürten, der an diesem Abend in einer Prominenten-Elf auflief und uns am Ende des Spiels als Fachmann mit seiner Spielanalyse zur Verfügung stand. Es war alles irgendwie unglaublich. Unser Radio, die "Derby-Antenne" schlug seinerzeit solche Wellen, dass an diesem Spieltag die ARD-Tagesthemen mit unserem Radio begannen.
Als wäre das alles zu schön, um wahr zu sein, beendete ich meine freiberufliche Zeit 2001. Ich bewarb mich auf eine Pressestelle beim Kommunalverband LVR. Ich wollte mich verändern und aus einem fast ständigen 12-Stunden-Arbeitstag rausholen. Da gab es nämlich auch noch eine junge Familie: Ich wurde 2000 zum ersten Mal Papa. Aber auch beim LVR gab es für mich als kreativen Menschen eine Menge spannender Themen und Herausforderungen. So wurde ich Projektverantwortlicher für den "Tag der Begegnung", damals wie heute das größte Begegnungsfest für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in Europa. Der Archäologische Park in Xanten war einmal im Jahr der Schauplatz mit bis zu 16.000 Besucher*innen. Im wunderschönen römischen Amphitheater gab es als Highlight immer auch einen Top Act. Mit den Prinzen, BAP, Peter Maffay, Brings, Purple Schulz und auch einmal Cindy und Bert hatten wir ein paar besondere Konzertmomente am Start. Selbst auf einer Bühne stehen war in dieser Zeit für mich nicht drin, da ich über viele Wochen im Jahr gefühlt 16 Stunden am Tag für das Event gearbeitet hatte. Also auch dieser Job war nicht wirklich familienfreundlich. Manche Tage gingen bis tief in die Nacht, so dass ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln von meiner Dienststelle in Köln-Deutz nicht mehr nach Hause kam und die Nacht in der nebenan gelegenen Jugendherberge verbrachte. Wieder einmal Ausnahmezustand, geschuldet der Tatsache, dass ich schlicht und einfach in meinem Element war. Ich habe es geliebt, viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Ecken in Deutschland zu diesem Event zu locken, um gemeinsam für ein Leben ohne Unterschiede zwischen Menschen aufgrund von Beeinträchtigungen Flagge zu zeigen. Keine Berührungsängste, Schubladen oder Scheren im Kopf, sondern aufeinander zugehen, zusammen leben und feiern.
In der Zeit habe ich kaum Musik gemacht, geschweige denn Songs geschrieben. Und, als wäre da ein riesiger Stausee entstanden, der plötzlich seinen Weg in die Freiheit fand, kamen nach ein paar Jahren auf einmal viele neue Songs. Einer davon heißt "All die Johre". Ich schrieb ihn 2006 für meine Eltern. Ein kölsches Lied über das Leben, Vertrauen, Treue und eine besondere Beziehung, die durch Dick und Dünn geht. Das war der Beginn einer neuen kreativen Zeit mit sehr vielen neuen Songs. Einer darunter war auch der Titel "Salve Colonia", ein Song, den ich mit anderem Text eigentlich meinen Kindern geschrieben hatte. Mit "Salve Colonia" entstand eine Liebeserklärung an meine Geburtsstadt Köln. Der Song wurde Titelsong für die Feierlichkeiten rund um den 50. Geburtstag des LVR an seinem Standort in Köln-Deutz. Höhepunkt waren zwei Auftritte mit dem LVR-Generationenchor bei den Kölner Lichtern 2009 und 2010 live im Tanzbrunnen vor 18.000 Menschen und im WDR-Samstagabendprogramm. Darunter auch ein Salve-Colonia-Duett mit Peter Brings, dem Frontmann der kölnschen Rockband Brings. Diese Projekte sind sicher einmalig für einen Referenten im Öffentlichen Dienst, wenn er seinen Job mit seiner Liebe zur Musik verbinden kann. Ich hatte das Vertrauen der Vorgesetzten, das Vertrauen des WDR und des Veranstalters der Kölner Lichter, die den Song ins offizielle Programm nahmen, noch bevor er fertig produziert war. Danke an dieser Stelle auch an die Höhner, die bei den Studioaufnahmen und beim 50. Standortjubiläum des LVR mitgewirkt hatten und darüber hinaus meinen Song mit der Jungen Sinfonie Köln 2010 im Grugapark in Essen open air beim dortigen "Tag der Begegnung" veredelten.
Die Höhner spielten auch bei unserem Veranstaltungsradio eine wichtige Rolle. Zum 50. Geburtstag des 1. FC Köln strahlte der WDR 1998 eine 45minütige Sonder-Sendung mit allerhand Sportprominenz aus. Mit im Publikum saß auch Henning Krautmacher, der Frontmann der Höhner, und neben ihm saß ich. Wir beide kannten uns schon und kamen während der Sendung ins Plaudern. Ich schlug ihm vor, doch einmal über einen Jubiläumssong für den FC nachzudenken. Die Höhner hatten eine wunderbare Idee. Die schottische Volksweise, die auch schon die Rockband Runrig mit dem Titel "Loch Lomond" veröffentlicht hatte, lag quasi in der Schublade und wartete nur noch auf ihren Einsatz. Das war die Geburtsstunde der Stadionhymne "Mer ston zo dir FC Kölle", die traditionell vor jedem Heimspiel des FC und auch sonst im Leben der Fans überall gespielt wird. Auf der dazu erschienenen Single sind wir Radiomacher im Chorgesang mit dabei.
Den LVR verließ ich 2011 in Richtung Frechen. Die Stelle eines Pressesprechers bei der Gold-Kraemer-Stiftung war ausgeschrieben und ich fand hier eine neue Chance, mich für Inklusion zu engagieren. Ein großes bundesweites Inklusionsnetzwerk im Gepäck, begann ich meine Arbeit gleich mit einem mitgebrachten Vorschlag. Die Idee: ein großer inklusiver philharmonischer Abend in der Kölner Philharmonie. Mehr als 300 Aktive, Künstler*innen mit und ohne Beeinträchtigung, Profis und Laien, Chöre, Schulen und ein Orchester kamen im Juni zusammen, um vor ausverkauftem Haus den Philharmonischen Abend unter dem Titel "Salve Colonia" zu feiern. Hier habe ich neben meiner Verantwortung als Kurator und Projektleiter auch künstlerisch mitgewirken können. Es war für mich ein sehr wunderbares Gefühl, zusammen mit der Jungen Sinfonie Köln und dem Kölner Gebärdenchor das Lied für meine Eltern "All die Johre" zu singen. Nicht nur für alle Mitwirkenden, sondern auch für die Kölner Philharmonie war "Salve Colonia" eine besondere inklusive Konzertpremiere, die eine Neuauflage durchaus verdient.
Der Geburtsort der meisten meiner eigenen Songs ist ein Ibach-Klavier, das mir meine Eltern 1976 gekauft haben und an dem ich am allerliebsten spiele. Es steht bei uns im Musikzimmer im Keller. Um es auf die Bühne zu bekommen, ist es leider viel zu schwer. Über dem Klavier hängt ein Bild, was mir meine älteste Tochter zum 54. Geburtstag gemalt hat. Es zeigt die Magie der 88 schwarzweißen Tasten, die sich, so wie Bilder von Salvador Dalí, fließend durch das Universum bewegen. Dieser "Arbeitsplatz" steht mir 24/7 zur Verfügung, wovon ich auch Gebrauch mache. Als unsere Kinder noch klein waren, konnte ich zu meiner großen Überraschung so laut fortissimo spielen, wie ich wollte. Kein Problem, denn wenn die Mannschaft schlief, schlief sie. Heute sind die jungen Erwachsenen weit empfindlicher, was ihren Schlaf angeht. Schwer wird es vor allem, wenn ich neue Songstellen ausprobiere und in Schleife so lange am Takt arbeite, bis alles steht. Manchmal wünsche ich mir den Griff zur Gitarre, um an einen Song harmonisch und rhythmisch einmal anders heranzugehen, aber ich spiele keine Gitarre. Wenn ein Song fertig ist - das ist streng genommen so gut wie nie der Fall, weil immer etwas besser zu machen geht und der Song sich beim Spielen von selbst immer weiterentwickelt - heißt es Augen zu und Genießen und erspühren, wo der Song denn später hinmöchte. Ist es vielleicht eine Ballade, die ganz klein daherkommt, oder sucht der Song die große Bühne und möchte eine Hymne werden?
Zur Klärung dieser Frage arbeite ich sehr gerne mit meinem Musikerkollegen und Freund Alexander Teschner zusammen. Seine Gitarre schmiegt sich an jede einzelne Klaviertaste an, setzt groovige Elemente oder schlägt eine ganz andere Richtung vor. Aus einer Klaviernummer ist schon der ein oder andere Gitarrensong geworden. Alex und ich harmonieren sehr gut miteinander, weil wir uns schon relativ lange kennen und wissen, wo jeder von uns steht und hinmöchte. Ich freue auf jeden Moment, den wir zusammen Musik machen. Da ist viel Energie und ein tiefes Verständnis füreinander. Wenn wir uns gegenseitig damit beschenken, geht es uns gut!
Mit Alex hatte ich schon bei der CD-Produktion des Pulheimer Kinder- und Jugendchors zusammen gearbeitet. Er war damals der verantwortliche Chorleiter. Mit ihm habe ich 2012 das Trio "Bis zum Sommer" gegründet. Mit dem Percussionisten und Sänger Daniel Madete waren wir bis 2022 als deutsche Akustik-Pop-Formation unterwegs. Die Buch-CD "Was keiner mehr weiss" war unser Projekt-Abschluss. An der deutschen Nordseeküste in St. Peter Ording haben wir noch ein besonderes Musikvideo zum Song "Blau statt Weiss" gedreht. Unser Filmemacher war Daniel Volmer, dem wir auch unser wunderbares Bandlogo und das Layout für unsere Buch-CD verdanken.
Als Solokünstler, im Duett mit Alexander Teschner und anderen Musiker*innen und auch mit Band habe ich Anfang 2020 das Projekt "Peter Worms" gestartet. Mit Stefan Vogt, ein großartiger Musikerkollege und auch Produzent der Buch-CD, arbeite ich an meinem ersten Soloalbum "Westwind". Mit meiner neuen Band hatte ich die Ehre, im Januar 2020 ein Premierenkonzert meines "Westwind-Programms" im Rahmen des Neujahrsempfangs des gleichnamigen Vereins "Westwind" in der NRW-Landesvertretung in Berlin zu spielen. Es ist eine wunderbare Erfahrung, mit eigenem Namen und für alles verantwortlich unterwegs zu sein und die Menschen einfach gut zu unterhalten und mitzureißen. Mit dabei in Berlin waren Alexander Teschner, Stefan Vogt am Bass und Jens Goluecke am Schlagzeug. Einen großartigen Job als Mischer machte übrigens Marius Schenk. Auch zu ihm verbindet mich eine besondere "Seelennähe". Er hat das, was man braucht, um miteinander wunderbare Musik machen zu können: Eine Offenherzlitkeit, unbestechliche Ehrlichkeit, ein geniales Gehör und eine Liebe zur Musik. Die vier Bandmitglieder verstehen ihr Handwerk. Große Pläne konnten wir aber nicht mehr umsetzen, denn dann kam der erste Lock-Down wegen COVID 19. So schnell wird man ausgebremst. Aber...
... jetzt geht es wieder weiter mit der Arbeit an neuen Songs für das Album "Westwind" und dann raus auf die Bühnen des Landes. Mit im Gepäck nehme ich auch meinen neusten Titel "Zusammen", den ich im Rahmen der Kampagne der Aktion Mensch "Deine Stimme für Inklusion" 2021 geshrieben habe. Beim Text habe ich mit der Schreibwerkstatt "Blatt-Gold" - journalistisch interssierte und großartig begabte Menschen mit Beeinträchtigung - über mehrere Wochen zusammengearbeitet. Herausgekommen ist ein richtig guter Song, den auch Stefan Vogt produziert hat. Derzeit arbeite ich an einem Musikvideo für den Song. Die Dreharbeiten dazu haben unter anderem im Künstler-Atelier meines Freundes und Malers Chidi Kwubiri in Pulheim stattgefunden. Das war ohne Worte eine riesengroße Erfahrung. Und es war eine so große Ehre, dass Chidi uns nicht nur sein Atelier für ein paar Stunden zur Verfügung gestellt hat, sondern am Ende auch mitgemacht hat. Was entstanden ist, wird es bald zu sehen geben.
Danke für all Eure Unterstützung!